Es gibt Momente, in denen ist nichts, wie es scheint. Ein fröhliches Gesicht versteckt tiefe Trauer, wer Härte zeigt, kann auch barmherzig sein und hinter einer scheinbar so düsteren Zukunft verbirgt sich eine neue Chance.

Grenzmomente sind das, unsicher und vage. Erst im Nachhinein deute ich die Zeichen richtig. Hatte uns der Palmsonntag in eine solche Grenzzeit hineingeführt: Die Hände, die eben noch Palmzweige schwangen, sie waren schon zu Fäusten geballt.

Das „Hosianna“ wird zum gellenden „Kreuzige“-Ruf, fröhliche Gesichter erstarren zu Fratzen. Und doch ist es Jesu Tod am Kreuz, der den Menschen Leben bringt. Sein Weg ins Dunkel war ein Weg ins Licht. Heute bekennen wir das. Im Geschlagenen, im Verachteten war Gott ganz nah. Nur wenige erkannten das – wie die Frau aus Betanien, die den Todgeweihten wie einen König salbte. Diese Erzählung aus dem Markusevangelium ist die Basis für die Hausandacht für den Karfeitag.

Vorspruch

Gott, ich bin da an diesem Karfreitag. Sei du bitte auch bei mir. Wir beginnen im Namen des dreieinigen Gottes, im Namen Gottes, der uns hält im Leben und Tod, im Namen Jesu Christi, der durch den Tod gegangen ist, und im Namen des Heiligen Geistes, der uns durchatmen und leben lässt.

Lied EG 81.1-4
Herz liebster Jesu, was hast du verbrochen …

Psalm 22
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreibe, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Du aber bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und das sie hofften, halfst du ihnen heraus.

Gebet

Mein Gott, mein Gott, warum?
Ich sehe Jesus am Kreuz.
Wie er leidet, wie er verspottet wird, wie er stirbt.
Den Menschen und ihrer Macht ausgeliefert.
Ich habe so viele Fragen. Ich verstehe das nicht.
Wie konntest du, Gott, das zulassen?

Mein Gott, mein Gott, warum?
Ich sehe jeden Tag die neue Corona-Kurve.
Ich weiß: Menschen erkranken, Menschen leiden,
Menschen sterben.
Es sind so viele Gott, und es hört nicht auf.
Ich habe so viele Fragen.
Wie kannst du, Gott, das zulassen?

Mein Gott, mein Gott, warum?
Lass mich in meinen Fragen nicht allein.
Hilf mir zu verstehen.
Sei aber vor allem bei den Leidenden und Kranken.
Amen.

Tageslied EG 85.1-4+6
O Haupt voll Blut und Wunden …

Gedanken

Es wäre eine unsinnige Idee, Ostern in diesem Jahr verschieben zu wollen. Erstens geht das gar nicht, zweites würden doch gerade Unzählige ihren Karfreitag erleben und ob und wann es Auferstehung gäbe, das wüsste man ja noch nicht, das sei aber der Funke Hoffnung, dieses Osterlicht.

Da ist zuallererst der Schmerz derjenigen, die einen lieben Menschen verlieren. Da ist das Leiden der Schwerkranken und
die Mühe des medizinischen Personals. Da sind Existenzängste der übelsten Sorte und eine Situation der Verunsicherung,
die für psychisch beeinträchtige Menschen doppelt schlimm ist. Da gibt es Eltern am Ende ihrer Kräfte und Alleinerziehende, die gerade jetzt nochmal bewusst erleben, was „alleine“ heißt. Und trotz allem gibt es Menschen, auch gläubige Menschen,
die das Leiden nicht wahrhaben wollen. Die immer noch jammern, weil sie nicht das übliche Rundum Unterhaltungsprogramm geboten bekommen, ohne dass sie es nicht auszuhalten glauben.

Als Christen sind wir gerade herausgefordert, das Innehalten, das Schweigen anzunehmen und bewusst zu gestalten.
Wobei bewusst gestalten nicht unbedingt bedeutet, jetzt alle hektische Aktivität nur auf andere Kanäle zu verlagern. Es geht jetzt nicht darum, von Erbauung zu Erbauung zu hetzen und auch nicht darum, Gott fürs Erste zu den Akten zu geben. Wenn bessere Zeiten kommen, kann man ihn ja wieder hervorholen.

Aber Gott ist kein Schönwettergott, Christus ist nicht der Animateur unseres geistlichen und sonstigen Lebens. Es geht hier und jetzt um ihn.

Und deshalb glaube ich, dass es jetzt an der Zeit ist, sich in die Geschichten der Passion Christi zu vertiefen, vielleicht ist das ja sogar die einmalige Gelegenheit, sie anders, tiefer wahrzunehmen. Nutzen wir diese Zeit an diesem Karfreitag, nehmen wir uns die Bibel und lesen wir die Erzählung im Markusevangelium von der Frau in Betanien:

Markus 14. 3-9:
Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.
Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander:
Was soll diese Vergeudung des Salböls?
Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.
Und sie fuhren sie an.
Jesus aber sprach: Lasst sie!
Was bekümmert ihr sie?
Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt,
könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.
Wahrlich, ich sage euch:
Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt,
da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis,
was sie getan hat.

Nur der Frau, wahrscheinlich Maria von Betanien, der geht es um Jesus. Sie ist die Einzige, die versteht, was jetzt gerade dran ist. Nicht sonst etwas als Vorwand, sondern Jesus, der sich auf den Weg macht zu sterben und begraben zu werden. Und aufzuerstehen! Diese Frau, Maria, verschließt die Augen nicht vor dem Kommenden. Und sie reagiert mit verschwenderischer Liebe. Kein Gezeter wie von den Jüngern, die entweder den Helden markieren entsetzt wegrennen, oder sogar versuchen Jesus umzustimmen und am Ende alle versagen.

Ich liebe diese Worte Jesu, mit denen er die Frau verteidigt. „Wahrlich, ich sage euch:
Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“

Überall, zu allen Zeiten wird man von dieser Frau reden, die Jesus gesalbt hat. Sie hat getan, was dran war:
Sie hat Christus auf dem Weg der Passion ihre Liebe erwiesen.

Christus ist für sie und für uns gestorben. Das bedenken wir mit Maria von Betanien in der Karwoche und beten mit Paul Gerhardt:
„Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, als dann will ich dich fassen, in meinen Arm und Schoß.“
Amen.

Fürbittengebet

Mein Gott, du bist trotz allem da.
Ich danke dir, dass mit dem Karfreitag noch nicht alles aus war.
Ich danke Dir, dass du Jesus nicht im Tod gelassen hast.
Ich danke Dir, dass du bei mir bleibst,
in guten und schlechten Zeiten,
sogar im Tod und darüber hinaus.

Mein Gott, du bist trotz allem da,
so kann ich dich in dieser verwirrenden Zeit bitten:
Ich bin erschrocken und habe Angst,
wegen des Virus,
wegen der raschen Ausbreitung und
wegen der Folgen für uns alle.
Die ganze Welt ist betroffen.
Sei besonders dort,
wo Gesundheitssysteme an ihre Grenzen stoßen.
Sei bei den Kranken und denen, die um ihr Leben kämpfen.
Sei bei den Menschen, die jemanden verloren haben.

Mein Gott, du bist trotz allem da – sei bei allen,
die es gerade schwer haben.
Sei bei uns allen – schütze und stärke uns.

Mein Gott, du bist trotz allem da.
Höre uns.

Stille für das persönliche Gebetsanliegen

Vater unser
Wir heißen Gottes Kinder;
wir sind Gottes Kinder;
in diesem Vertrauen beten wir:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Sendungslied EG 321.2

Der ewigreiche Gott / woll uns bei unserem Leben /
ein immer fröhlich Herz / und edlen Frieden geben /
und uns in seiner Gnad / erhalten fort und fort /
und uns aus aller Not / erlösen hier und dort.

Segensgebet

So gehe ich mit Gottes Segen durch diesen Karfreitag:
Gott, verlasse mich nicht im Leben und im Tod.
Jesus Christus, stärke meine Lebenskraft.
Heiliger Geist, schenke mir Zuversicht.
Segne mich, Gott.
Gib mir deinen Frieden.
Im Namen des + Vaters und des Sohnes
und des Heiliger Geistes.
Amen.

Quellen: velkd.de, evangelische-liturgie.de, reformiert-info.de – Gebete,
Gebete für Gottesdienste – Evangelisch-reformierte Kirche, evangelisch.de
Evangelisches Tagzeitenbuch, Organisationsstelle Katholische Kirche im Vorderland :
Michael Willam veröffentlicht am 27.03.2020
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